|
Meister Eckhart
Christlicher Mystiker des Mittelalters
(aus "Perlen der Mystik" von J. Thiele) Von Leid berührbar Die Heiligen müßten erst noch geboren werden, die überhaupt nicht bewegt sein könnten und von keinem Leid berührbar wären. Eines aber glaube ich wohl: Es kann einem Heiligen schon in diesem Leibe zuteil werden, daß nichts mehr ihn von Gott zu scheiden vermag. Das heißt nicht, daß ihm Schmerzen nicht weh tun und Lust nicht wohl; aber alles, was ihm begegnen kann, hindert nicht seine unlösliche Zugehörigkeit Gott, weil es nicht des Geistes obersten Gipfel trifft, wo er geeint steht mit Gottes liebstem Willen. Ich bin ich allein Daß ich Mensch bin, habe ich mit allen Menschen gemein, daß ich sehe und höre und esse und trinke stellt mit den Tieren gleich. Aber daß ich nur ich bin, ist nur mir zu eigen und gehört mir und niemand anderem, keinem Menschen, keinem Engel und auch nicht Gott, nur insofern ich eins mit ihm bin. Nicht über das Tun nachdenken Die Leute sollen nicht soviel nachdenken, was zu tun sein. Besser wäre es, wenn sie überdächten, was sie sind. Wären die Menschen nur gut und ihre Haltung auch, wie würden da ihre Werke leuchten ! Denn bist du gerecht, so sind auch deine Werke gerecht. Denke nicht daran, deine Heiligkeit auf ein Tun zu gründen, Heiligkeit soll auf dem Sein gegründet sein. Denn die Werke heiligen uns nicht sondern wir sollen die Werke heiligen. Deren Wesen nicht von Größe zeugt, die mögen unternehmen, was sie wollen, da wird nichts draus. Gleichnisse von Gott Ihr sollt wissen, daß alles, was man in Worte faßt und den Leuten in Bildern vorlegt, nur ein Lockung ist zu Gott. Und daß wir Gott nicht finden, liegt daran, daß wir in Bildern und Gleichnissen stehen bleiben, da wir doch den suchen, der nicht Gleichnisse hat. Auch was die Schrift bieten kann, sind Gleichnisse, Gott mehr ungleich als ihm gleich. Versinkt aber die Seele in die Gottheit, so verliert sie alles äußere Bild. Über Geschaffenes hinaus Ihr sollt wissen, daß all unsere Vollkommenheit und all unsere Seligkeit darin liegen, daß der Mensch durch und über alles Geschaffene und Zeitliche und alles Wesen hinausgehe und in den Grund steige, der ohne Grund ist. Der Mittelpunkt Die ein gutes Leben wollen führen, sollen tun wie einer, der einen Kreis zieht. Hat er den Mittelpunkt gut angesetzt so wird die Kreislinie gut. Zuhause sein In unserem tiefsten Innern, da will Gott bei uns sein. Wenn er uns nur daheim findet und die Seele nicht ausgegangen ist mit den fünf Sinnen. Dieses und Jenes Soll also Gott in mein Herz schreiben in vollendeter Weise, so muß alles, was Dieses und Jenes heißt, aus dem Herzen fort. So ist es bei dem abgeschiedenen Herzen: da kann Gott seinen hohen Willen auf das vollkommenste verwirklichen. Wie Wasser ins Feuer ... Darum ist die Abgeschiedenheit das Allerbeste: denn sie reinigt die Seele, läutert das Gewissen, entzündet das Herz und erweckt den Geist, sie gibt dem Begehren Schnelle; sie übertrifft alle Tugenden: denn sie macht uns Gott erkennen, und vereint die Seele mit Gott. Denn geteilte Liebe ist wie Wasser ins Feuer geschüttet, aber einige Liebe ist wie Wabe voller Honig. Innere Einsamkeit ... Wer Gott so hat, dem leuchtet Gott in allen Dingen; denn alle Dinge schmecken ihm nach Gott, und Gottes Bild wird ihm aus allen Dingen sichtbar. Dies lernt der Mensch nicht, indem er vor den Dingen flüchtet und sich von der Außenwelt weg in die Einsamkeit kehrt; er muß vielmehr eine innere Einsamkeit lernen, wo und bei wem er auch sei. Gottes Auge Das Auge, in dem ich Gott sehe, das ist dasselbe, darin mich Gott sieht. Mein Auge und Gottes Auge, das ist ein Auge und ein Sehen und ein Erkennen und ein Lieben. Wo alle Dinge ein sind In der Liebe zu bleiben bedeutet, Einlaß zu finden, wo alle Dinge eins sind. |