Vielleicht bedürfen wir der Worte des auferstandenen Christus gegen Ende des zweiten Jahrtausends mehr denn je:"Fürchtet euch nicht !"
Worte des Papstes Fürchtet euch nicht !
Als ich am 22. Oktober 1978 auf dem Petersplatz die Worte "Fürchtet euch nicht!" sprach, konnte ich mir unmöglich darüber im klaren sein, wohin sie mich und die Kirche tragen würden. Ihr Inhalt entsprang nicht so sehr dem Menschen, der sie aussprach, als vielmehr dem Heiligen Geist, der den Aposteln vom Herrn Jesus als Trostspender verheißen worden war. Jedenfalls habe ich mich im Laufe der Jahre verschiedentlich an sie erinnert.
Warum brauchen wir uns nicht zu fürchten ? Warum hat Gott den Menschen erlöst ? Als ich diese Worte auf dem Petersplatz aussprach, wußte ich bereits, dass die erste Enzyklika und das ganze Pontifikat an die Wahrheit der Erlösung gebunden sein sollten. In ihr liegt die tiefste Bestätigung für jenes "Fürchtet euch nicht !": "Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab!" (Joh 3,16).
Dieser Sohn bleibt in der Geschichte der Menschheit als Erlöser. Die Erlösung durchdringt die gesamte Menschheitsgeschichte, auch die vor Christus, und bereitet ihre eschatologische Zukunft vor. Sie ist das Licht, "das in der Finsternis leuchtet und das die Finsternis nicht erfaßt hat" (Joh 1,5). Die Kraft des Kreuzes Christi und seiner Auferstehung ist größer als alles Übel, vor dem der Mensch sich fürchten müßte ...
Vielleicht bedürfen wir der Worte des auferstandenen Christus gegen Ende des zweiten Jahrtausends mehr denn je: "Fürchtet euch nicht !". Der Mensch, der auch nach dem Niedergang des Kommunismus nicht aufgehört hat, sich zu fürchten, und in Wahrheit viele Gründe für diese Furcht hat, braucht diese Worte.
Die Nationen, die nach dem Niedergang des kommunistischen Reiches wiedererstanden sind, bedürfen dieser Worte, und auch die, die dieser Erfahrung von außen her beigewohnt haben, die Völker und Nationen der ganzen Welt brauchen sie. In ihrem Bewußtsein muß die Gewißheit wieder stark werden, dass es jemanden gibt, der das Los dieser vergänglichen Welt in der Hand hält; jemand, der d"die "Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt hat" (Offb 1,18); jemand, der das Alpha und das Omega (Offb 22,13) sowohl der individuellen als auch der kollektiven Menschheitsgeschichte ist.
Und dieser Jemand ist die Liebe (vgl JOh 4,8.16): die menschgewordene Liebe, die gekreuzigte und auferstandene Liebe; die Liebe, die ohne Unterlaß unter den Menschen gegenwärtig ist. Es ist die eucharistische Liebe, die unablässige Quelle der Gemeinschaft. Nur Er kann die volle Garantie für die Worte übernehmen "Fürchtet euch nicht !"
Auszug aus "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten", Vittorio Messori (Hrsg), 1994