Hl. Hildegard von Bingen (1098 - 1179) Naturwissenschaftlerin, Mystikerin, Kirchenpolitikerin, Dichterin, Ärztin - all das war Hildegard von Bingen. Im Herbst 2012 soll HvB zur Kirchenlehrerin erhoben werden.
"Deutschlands größte Frau" nannte T. Schitzler diese Persönlichkeit der deutschen, der Welt-Kirchengeschichte.
Hildegards kritische Stimme war in ihrer Zeit nicht zu überhören; wenn sie etwas zu sagen hatte zur Situation der Kirche, dann machte sie auch vor Großen und Mächtigen nicht halt, auch nicht vor Kaiser Friedrich Barbarossa, dem sie glühende Briefe schrieb.
Derzeit gibt es auch massive Bestrebungen, die Hl. Hildegard in den Rang einer Kirchenlehrerin zu erheben. Bisher haben erste drei Frauen diesen Titel. Nachdem Hildegard bereits 800 Jahre nach ihrem Tod heiliggesprochen wurde, kann es jetzt nur mehr wenige Jahrhunderte dauern, bis die Ernennung zur Kirchenlehrerin erfolgt.
Beginn der Visionen Hildegards
Es geschah im Jahre 1141 nach der Menschwerdung des Gottessohnes Jesus Christus, als ich 42 Jahre und 7 Monate alt war. Aus dem offenen Himmel fuhr blitzend ein feuriges Licht hernieder. Es durchdrang mein Gehirn und setzte mein Herz und die ganze Brust wie eine Flamme in Brand. Es verbrannte nicht, aber es war heiß, wie die Sonne einen Gegenstand erwärmt ... Und plötzlich erhielt ich Einsicht in die Schriftauslegung ...
Von meiner Kindheit an bis heute habe ich diese Schau in meiner Seele, da ich doch mehr als siebzig Jahre alt bin. Mein Geist steigt, je nachdem wie Gott es will in dieser Schau bis zur Höhe des Firmamentes empor ... Was immer ich in dieser Schau sah oder lernte, behalte ich lange im Gedächtnis. Ich sehe und höre und weiß es gleichzeitig, und ich lerne gleichsam in einem Augenblick das, was ich nicht weiß. Was ich aber nicht sehe, das weiß ich nicht, weil ich ungelehrt bin. Die Worte dieser Vision klingen nicht so wie die Worte aus menschlichem Mund, sondern sind wie eine blitzende Flamme und wie eine Wolke, die in klarer Luft dahinzieht.
Den Weg der Wahrheit gehen
Schwach und arm macht sich der Mensch, der nicht Gerechtigkeit übt und weder die Bosheit, vernichten, noch Schuld nachlassen wollte ... In seinem Müßiggang fehlt es ihm an den wunderbaren Werken der Seligkeit ... Wer aber die kraftvollen und heilbringenden Werke tut und den Weg der Wahrheit läuft, erreicht den sprudelnden Quell der Herrlichkeit, aus dem er die kostbarsten irdischen und himmlischen Schätze gewinnt.
Alles ist miteinander verbunden
Die Elemente sind im Menschen und der Mensch wirkt mit ihnen. Feuer, Wasser und Erde sind untereinander so eng verknüpft, daß keines vom anderen getrennt werden kann, sie halten sich gegenseitig fest. Ja, die Welt würde zugrunde gehen, wenn ein Element vom anderen getrennt existieren könnte, sie sind unauflöslich miteinander verkettet.
Die Taten der Menschen sind ewig
Denn das Böse in den Taten der Menschen setzt die Elemente in Bewegung, wie wenn ein Mensch ein Netz in seiner Hand hält und dies bewegt. Die Luft nimmt auf, was der Mensch in Wort und Tat bewirkt, sie teilt es den Sternen mit, und diese offenbaren die Taten des Menschen.
Über die Engel
Ihre Herrlichkeit ist unaussprechlich, ihre Zahl ohne Zahl. Niemand kann sie erfassen, da nur Gott um sie weiß. Alles, was Gott will, das wollen auch sie. Wenn auch die einzelnen ihr je eigenes Antlitz (jeder Engel ist ein Welt für sich) und ihre spezifische Aufgabe haben, so sind sie doch durch die Einheit ihrer Gesinnung ein einziges Leben.
Die Liebe des Schöpfers
Der Schöpfer hat sein Geschöpf dadurch gemschmückt, daß er ihm seine große Liebe schenkte. So ist alles Gehorchen der Kreatur nur ein Verlangen nach dem Kuß des Schöpfers. Und alle Kreatur empfängt den Kuß ihres Schöpfers, da Gott ihr alles schenkt, was sie braucht.
Ich nun, ich vergleiche die große Liebe des Schöpfers zu seinem Geschöpf und des Geschöpfs zum Schöpfer mit jener Liebe und Treue, mit der Gott den Mann und die Frau in einem Bund vereinte, auf daß sie schöpferisch fruchtbar werden.
Der Dreifaltige Gott
Wie drei Bestandteile im Wort zu erkennen sind, so ist die Dreifaltigkeit in einer Gottheit zu betrachten. Im Wort ist Klang, Kraft und Hauch. Klang, damit man es hört, Kraft, damit man es versteht und Hauch, damit es ans Ziel gelangt. Im Klang aber nimm den Vater wahr, der alles in unermeßlicher Stärke offenbart. In der Kraft den Sohn, der wunderbar aus dem Vater gezeugt ist. Im Hauch aber den Heiligen Geist, der lieblich in ihnen erglüht. Wo man aber keinen Klang hört, dort wirkt auch keine Kraft, noch erhebt sich ein Hauch, und deshalb versteht man dort auch das Wort nicht.
Über das Kreuz
Wenn der Sohn nicht am Kreuz gelitten hätte, würde diese Finsternis es niemals zulassen, daß der Mensch zur himmlischen Herrlichkeit gelangt. Während der Sohn Gottes am Kreuz hing, ging die Kirche wie ein Lichtglanz aus dem ewigen Ratschluß hervor und wurde ihm durch göttliche Macht zugeführt. Überströmt von seinem Blut, das hochaufsprudelnd aus seiner Seite floß, wurde sie ihm durch den Willen des himmlischen Vaters angetraut und empfing als kostbare Hochzeitstgabe sein Fleisch und Blut.
Über die Eucharistie
Wenn zum Gedächtnis meines Sohnes auf dem mir geweihten Altar das Opfer von Brot und Wein dargebracht wird, verwandle ich, der Allmächtige, es wunderbar mit meiner Kraft und Herrlichkeit verklärend, in den Leib und das Blut meines Eingeborenen. Als mein Sohn bei den Menschen auf Erden weilte, war er auch bei mir im Himmel aber auch bei den Menschen auf der Erde. Ihr törichten Menschen, zweifelt nicht, ob dieses Sakrament Leib und Blut meines Sohnes ist. Denkt daran, woraus ich Adams Fleisch und Blut schuf: aus dem Lehm der Erde. Was meint ihr ? Ist es mir leichter möglich, aus dieser Opfergabe Fleisch und Blut meines Sohnes zu machen oder aus Erdenlehm den Menschen zu bilden ?
Zeit der Läuterung
Deshalb o Mensch, umarme Gott so im Licht deiner Lebenskraft, bevor die Stunde der Läuterung deiner Werke kommt, da alles offenbar und nichts übersehen wird. Dann eilt die Zeit herbei, die nicht abgekürzt wird, von der du nach deinem menschlichen Empfinden insgeheim stammelst und sagst: "Dieser Lebenswandel, von dem ich nicht weiß, ob er zum Glück oder Unglück führt, gefällt mir nicht." Denn das menschliche Herz ist immer im Zweifel, weil es, während es Gutes tut, nicht weiß, ob es Gott gefällt oder nicht. Und während es Böses begeht, fürchtet es für die Heilung in der Vergebung. Wer dies aber mit wachen Augen und mit dröhnenden Ohren hört, umarme diese geheimnisvollen Worte, die Mir, dem Lebendigen entströmen.
Vom Ende der Zeiten
Höre also Ihn, der lebt und nicht aus dem Weg geräumt werden kann: Die Welt ist jetzt voller Ausschweiung, später wird sie in Traurigkeit sein, dann so sehr in Schrecken, daß die Menschen sich nichts daraus machen, getötet zu werden. Bei all dem sind bald Zeiten der Ausgelassenheit, bald der Zerknirschung, bald Zeiten, wo es blitzt und donnert von allerlei Bosheiten. Denn das Auge stiehlt, die Nase wittert, der Mund tötet. Vom Herzen aber geht Heilung aus, wenn das Morgenrot wie der Glanz eines ersten Aufgangs sichtbar wird. Unsagbar ist, was dann in neuem Verlangen und neuem Eifer erfolgt.